Nun, mehr als 40 Jahre später, kehrt der französische Künstler mit einer umfassenden Einzelausstellung anlässlich der Biennale Arte 2024 nach Venedig zurück, die einen konzentrierten Blick auf Venets radikal konzeptuelle Anfänge wirft. Die von Prof. Beate Reifenscheid, Direktorin des Ludwig Museums Koblenz, kuratierte Schau zeigt ein künstlerisches Werk fernab jeglichen Mainstreams der frühen 1960er-Jahre, dessen Einfluss auf die Kunst bis heute nachwirkt.
Vom 20. April bis 16. Juni 2024 zeigt die Biblioteca Nazionale Marciana am Markusplatz die Ausstellung „Bernar Venet – 1961… Looking Forward!“ in Zusammenarbeit mit dem Ministero della Cultura und der Association for Art in Public in ihrem historischen Salone Sansoviniano, zu dem man über das Museo Correr gelangt. Hier werden Venets Werke an einem der berühmtesten Orte Venedigs spannungsreich in einen kunsthistorischen Kontext mit Gemälden von Tizian, Tintoretto und Veronese gestellt.
„Bernar Venet – 1961… Looking Forward!“ zeigt Beispiele der berühmten Teerkunstwerke und Kartonreliefs des Künstlers sowie zwei beeindruckende Rauminstallationen. Wie der Titel der Ausstellung andeutet, wird der Besucher mit den künstlerischen Anfängen von Bernar Venet konfrontiert. 1961, während seines Militärdienstes im südfranzösischen Tarascon, begann der damals erst 19-jährige Venet mit einfachen, neuen Materialien zu experimentieren, die zum Markenzeichen seiner künstlerischen Erkundungen wurden: Teer und Karton. Innerhalb von nur zwei Jahren entwickelte er schnell und mit größter Überzeugung jene Themen, die sein künstlerisches Schaffen über viele Jahre hinweg prägen sollten, und betrat dabei radikal neue Wege. In einem kurzen Zeitraum entstanden Werke wie die Teerbilder, der Kohlenhaufen (Tas de Charbon) und Taramacadam. Noch erstaunlicher als diese künstlerischen Ansätze war, dass Bernar Venet schon damals seine Aktivitäten fotografisch festhielt. Praktisch jede Aktion wurde dokumentiert: Teer, der am Rand
eines Steinbruchs herunterrinnt, die Entstehung von Five India Ink Drawings in Three Seconds (1961) und die erste Performance von Venet, bei der er sich zwischen den Abfall in den Straßen von Tarascon legt.
„Ein Rückblick auf das experimentelle Schaffen von Bernar Venet in den Jahren 1961 bis 1965 bestätigt aus heutiger Sicht zweifellos das Visionäre in der Kunst Venets schon in einem sehr frühen Stadium seiner Karriere. Seine konsequenten Performances, Vorträge und Ausstellungen haben in ihrer Intensität und radikalen Abweichung von ausgetretenen Pfaden neue Ausdrucksweisen, Formen und Begriffe in die zeitgenössische Kunst eingebracht und zeigen auch heute noch, wie sehr die Kunst die Wahrnehmung jedes Einzelnen verändert. Was sein Werk in Form und Sprache lebendig und berührend macht, obwohl es konzeptionell und abstrakt, zugleich materiell und entmaterialisiert ist, ist die Tatsache, dass es als „Gesamtkunstwerk“ wahrgenommen wird – als Verschmelzung von Leben und Kunst.
In diesem Sinne ist der Blick zurück auf 1961 gleichzeitig ein Blick nach vorn“, kommentiert Prof. Beate Reifenscheid, Direktorin des Ludwig Museums in Koblenz.
Dirk Geuer, der Kurator des diesjährigen Ausstellungsprogramms der Biblioteca Nazionale Marciana parallel zur Biennale Arte 2024, ergänzt: „Bernar Venets kunsthistorisch bedeutsames Werk an einen historisch bedeutsamen Ort wie die Biblioteca Marciana zu bringen, war schon lange ein großer Wunsch von mir. Durch die Gegenüberstellung solch bedeutender Werke der zeitgenössischen Kunst mit den Renaissance-Gemälden von Tizian, Tintoretto und Veronese wird ein Dialog zwischen neuen und alten Meistern eröffnet, in dem sich Vergangenheit und Gegenwart auf Augenhöhe begegnen.“
Die Ausstellung tritt in einen direkten Dialog mit der 60. Biennale Arte in Venedig und stellt die Aktualität und Zukunftsfähigkeit der innovativen und unangepassten Anfänge Venets, die für das Verständnis der zeitgenössischen Kunst grundlegend sind, eindrucksvoll unter Beweis.
Ausstellung:
Bernar Venet – 1961… Looking Forward!
20. April bis 16. Juni 2024
Salone Sansoviniano der Biblioteca Nazionale Marciana
Zugang zur Ausstellung über das Museo Correr
Piazza San Marco n.52 – Ala Napoleonica, I – 30124 Venedig
Öffnungszeiten täglich 10 – 18 Uhr (letzter Einlass 17 Uhr)
Tipp der Redaktion:
Begleitende Publikation: Bernar Venet. 1961 – 1965. Hypothèse. Immancence.
230 Seiten mit Texten von Bernard Ceysson, Alexandre Devals, Thierry de Duve, Maurice Fréchuret, Déborah Laks, Thierry Lenain, Thomas McEvilley, Hans Ulrich Obrist, Arnauld Pierre, Thierry Raspail, Beate Reifenscheid und Damien Sausset. Editions Bernard Chauveau, Paris, Frankreich 2024 (Französisch und Englisch).