„Essen hatte schon immer eine enorme Macht, mich glücklich zu machen. Es ist wie ein kleiner Urlaub“, sagt Meike Peters. Nachdem sie Architektur studiert und fünfzehn Jahre in der Musikbranche gearbeitet hatte, startete die gebürtige Kölnerin 2013 ihren eigenen Foodblog Eat in My Kitchen. Inzwischen lebt sie in Berlin und hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Bereits ihr erstes Kochbuch, das 2016 in deutscher und englischer Sprache erschien, wurde in den USA mit dem prestigeträchtigen James Beard Award ausgezeichnet. Im September veröffentlicht sie ihr neues Buch Noon.
Im Rahmen des Podcasts Meet in My Kitchen lädst Du Köch*innen und Gastronom*innen in Deine eigene Küche ein, um über das Leben und das Essen zu sprechen. Aber auch Designer*innen wie Erik Spiekermann oder Stefanie Hering zählten schon zu den Gästen. Wie wählst Du die Gesprächspartner*innen aus?
Ich lade Gäste ein, die ich spannend finde und die mich neugierig machen. Es müssen nicht unbedingt Köche sein. Jeder – egal, was er beruflich macht – hat ein paar Geschichten zum Thema Essen zu erzählen. Es ist etwas so Leidenschaftliches und Prägendes für uns alle, weil es mit Erinnerungen und mit anderen Menschen verknüpft ist, mit Müttern und Vätern oder Großeltern. Ich hätte auch Design als Thema für den Podcast wählen können. Aber ich glaube, dass Essen ein noch größeres Potenzial hat, tiefer zu gehen und persönlicher zu werden.
Für die Interviewreihe Meet in Your Kitchen besuchst Du Profi- und Hobbyköch*innen auf der ganzen Welt in ihrem Zuhause und erhältst dadurch Einblicke in ganz unterschiedliche private Kochbereiche. Wie viel erfährst Du über Menschen anhand ihrer Küchen?
Alles! (lacht) Ich glaube, Küchen und Badezimmer zeigen die wahre Natur des Menschen. Es sind private Räume, die viel über ihre Bewohner preisgeben. Wenn man seine Küche sehr persönlich einrichtet, dann erzählt sie die ganz eigene, einzigartige Geschichte. Ich finde es spannend, wenn das passiert. Die Küche ist ein äußerst emotionaler Ort. Sie kann auch Objekte enthalten, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Ich mag es, wenn eine Küche lebendig ist und sich über die Jahre verändert, genauso wie man selbst sich verändert. Es braucht vielleicht auch ein bisschen Mut, um sich dort in aller Ehrlichkeit zu präsentieren. Ich glaube, eine richtig gut funktionierende Küche ist ein ehrlicher Raum, der so gestaltet ist, dass man sich in ihm wohlfühlt, dass man in dieser Umgebung gut kochen und kreativ sein kann.
Ist die Küche quasi ein Spiegel der Seele?
Ja, oft passt es wirklich. Wenn ich eine Person sehr interessant finde, dann ist die Küche meist ebenso spannend und komplex wie die Persönlichkeit. Bei den privaten Küchen von Profiköchen merke ich natürlich, dass sie noch funktionaler gestaltet sind. Weil diese Köche ihre Abläufe gut kennen. Wer im Restaurant tagtäglich sehr auf Effektivität getrimmt kocht, nimmt ein bisschen von dieser Erfahrung mit nach Hause. Man sieht, dass sie eine strikte Struktur und Organisation haben. Aber ein gewisses Maß an lässigem Chaos ist dort auch oft zu sehen. Ich finde, eine Portion Chaos tut gut, denn Kreativität entsteht im Chaos und kreiert auch wieder Chaos. Aber andere Menschen brauchen die Ordnung und die Ruhe. Ich sage nicht: Wenn jemand eine sehr aufgeräumte, cleane Küche hat, dann ist er langweilig. Das wäre anmaßend. Letztlich soll jeder für sich entscheiden, wie er diesen Raum gestalten möchte.
Wie muss eine Küche beschaffen sein, damit Du Dich in ihr wohlfühlst?
Ich liebe Arbeitsplatten aus Marmor. In meiner Küche habe ich weißen Carrara-Marmor, der schon fast dreißig Jahre alt ist. Der darf auch gerne altern und sich verändern. Mir gefällt es, wie sich echter Stein anfühlt. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich damit aufgewachsen bin. Meine Mutter hat ebenfalls weißen Marmor in der Küche. Außerdem erinnert er mich an Italien und an den Mittelmeerraum. Es sind die ganzen Assoziationen, die ich damit verbinde. Aber es ist auch die Funktionalität: Darauf kann ich sehr direkt arbeiten, zum Beispiel einen Hefeteig kneten, ohne die Fläche vorher mit Mehl bestäuben zu müssen. Ich liebe große Schneidebretter, auf denen ich frei arbeiten kann, wenn ich Kräuter hacke oder Gemüse schneide. Und ich brauche scharfe Messer. Ich habe viele Messer und finde es sehr praktisch, diese an einer Magnetleiste zu befestigen. Eine gute Organisation in der Küche ist mir wichtig – und die ergibt sich meist intuitiv. Irgendwann merkt man, was man wo haben möchte. Das finde ich in kleinen Küchen oft einfacher. Wenn die Küche groß ist, hat man automatisch längere Wege.
Was gefällt Dir sonst noch an Deiner eigenen Küche?
In meiner Küche ist das Licht sehr gut. Dort fotografiere ich auch alle Gerichte für meine Kochbücher. Nachmittags scheint die Sonne rein, was superschön ist. Obwohl ich einen langen Esstisch habe, sitze ich sehr gerne an dem kleinen Tisch in der Küche. Das hat so ein Bistro-Feeling. Außerdem höre ich beim Kochen das Vogelgezwitscher im Hinterhof, was ich sehr liebe. In diesen Momenten vergesse ich manchmal, dass ich mich in der Großstadt Berlin befinde.
Gibt es auch etwas, das Du an Deiner Küche gerne ändern würdest?
Ich würde mich nicht mehr für offene Schränke entscheiden. Einerseits gefällt es mir, dass alles sichtbar und griffbereit ist, und ich mag diese Workshop-Atmosphäre. Aber es ist viel Arbeit, weil das Geschirr in den Regalen schnell einstaubt. Ansonsten würde ich gar nichts ändern. Manchmal sehne ich mich zwar nach einer neuen Küche. Doch ich fürchte, selbst wenn mir jemand die perfekte Küche einbauen würde, könnte es passieren, dass ich mir meine alte Küche zurückwünsche. Wir sind so ein eingespieltes Team.
Es gibt einen Trend zur smarten, vernetzten Küche. Auf Messen wie der IFA werden alljährlich innovative Geräte vorgestellt: vom Kühlschrank, der selbstständig Lebensmittel bestellt, bis hin zum Backofen mit künstlicher Intelligenz. Reizen Dich solche Neuheiten?
Technische Errungenschaften haben natürlich immer etwas Faszinierendes. Manche Menschen interessieren sich sehr dafür, aber ich brauche nicht so viel Technik. Ich möchte keinen intelligenten, sprechenden Kühlschrank besitzen, der Dinge bestellt, die dann geliefert werden, denn ich gehe gerne selbst einkaufen. Wenn ich mich nicht mehr persönlich auf dem Markt oder im Supermarkt umschaue, verliere ich eine wichtige Inspirationsquelle. Außerdem möchte ich nicht, dass mein Kühlschrank auch noch anfängt, einen Algorithmus anzuwenden, und mir sagt: „Meike, heute willst Du Karotten kaufen.“ Ich antworte dann: „Nein, ich brauche keine Karotten.“ Und der Kühlschrank sagt: „Doch, heute willst Du Karotten!“ (lacht) Bei technischen Neuerungen gibt es immer Skeptiker und Befürworter. Jetzt wird erst einmal jeder Hersteller Geräte mit KI anbieten. Aber letztlich entscheiden wir als Konsumenten, ob wir so etwas haben wollen.
Welche Foodtrends sind Dir in letzter Zeit aufgefallen – und wie könnten sich diese auf die Küchengestaltung auswirken?
Das Kochen ist entspannter geworden. Wir haben nun nicht mehr diese komplizierten Abendessen mit fünf Gängen, bei denen die Köchin die ganze Zeit gestresst in der Küche steht. Wenn Gäste kommen, kann man einfach verschiedene Dinge auf den Tisch stellen: einen Salat und ein paar Dips, die sich gut vorbereiten lassen, dazu ein gutes Brot und Olivenöl. Ottolenghi hat viel zu dieser Veränderung beigetragen. Solche Strömungen entstehen meist durch einen wechselseitigen Dialog zwischen Köchen, Kochbuchautoren und Konsumenten. Ich glaube, die Menschen wünschen sich heute eine gewisse Lässigkeit. Der Alltag ist für viele anstrengender geworden und so entsteht das Bedürfnis, zumindest beim Kochen den Druck und die Anspannung rauszunehmen. Wir sind sowohl in der Gestaltung unserer Gerichte als auch in der Gestaltung des gedeckten Tischs und der Küche lockerer und flexibler geworden. Die Leute kombinieren jetzt verschiedene Teller, statt nur das eine Porzellanservice zu haben – wie früher unsere Omas. Küchen werden ebenfalls spielerischer und freier gestaltet. Die Flexibilität, die das Leben uns abverlangt, muss auch unser Wohnumfeld bieten.
Sind Deine Rezepte ebenso unkompliziert?
Ja, in meinem neuen Kochbuch geht es um recht einfache Gerichte und um das Reduzieren auf wenige Zutaten. Ich habe versucht, Arbeitsschritte wegzulassen, die sehr zeitaufwändig und arbeitsintensiv sind. Gerade bei den Basics – wie Olivenöl und Meersalz – finde ich es wichtig, auf Qualität zu achten. Denn sonst muss man tatsächlich immer mehr addieren, um irgendeine Form von Geschmackserlebnis zu haben. Wenn aber diese vier, fünf Zutaten richtig gut schmecken, dann wird auch das Ergebnis genial. Außerdem füge ich gerne ein Element hinzu, das überrascht. Zum Beispiel kombiniere ich Burrata mit Aprikosen und Anissamen. Wenn ich ein Kochbuch schreibe, möchte ich den Leuten etwas Neues vorschlagen, das sie so noch nicht kennen.
In Deinem neuen Buch Noon stellst Du Mittagsgerichte vor. Ist Lunch das neue Dinner?
Für mich ist es das im Moment definitiv. Essen und Mahlzeiten sind immer im Wandel. Durch Gespräche im Freundeskreis habe ich gemerkt, dass das Kochen zur Mittagszeit ein enormes Potenzial hat. Seit der Pandemie und auch jetzt im Homeoffice fragen sich viele, was sie in der Pause kochen und essen könnten. Es muss relativ schnell gehen. Es soll aber auch etwas sein, das unserem Körper gut tut. Bei dieser Mahlzeit geht es um Selfcare. Manche Menschen haben das Mittagessen auch deshalb wieder für sich entdeckt, weil sie abends nicht mehr so viel essen wollen. Noon ist aktuell mein liebstes Kochbuch von allen, weil es zu der Art, wie ich gerade koche und lebe, sehr gut passt. Weil es so etwas Spielerisches und Lockeres hat. Im Buch gibt es Salate, Sandwiches, Suppen, Pasta- und Gemüsegerichte, aber auch Fleisch, Fisch und Quiches. Es ist als Anregung gedacht. Ich finde, Kochbücher sollten vor allem dazu inspirieren, selbst kreativ zu werden.
Tipp der Redaktion: Noon: Einfache Mittagsgerichte für jeden Tag von Meike Peters